Zero Waste und Gesundheit

Von Simone Binder

Die Reduktion und Vermeidung von Müll ist prinzipiell sehr sinnvoll. Deshalb versuche auch ich so oft wie möglich, unverpackte Produkte einzukaufen und wiederverwendbare Taschen und Flaschen zu verwenden. Wir haben zu diesem Thema einige Tipps zusammengestellt (s. Verpackungsmüll reduzieren). Wenn viele Menschen so handeln, können wir eine Menge Müll einsparen.

 

Gesundheitliche Risiken

Allerdings sehe ich durchaus Grenzen bei diesen Einsparungen, die u. U. sogar gesundheitsschädlich sein können. Dazu zählen sämtliche Versuche, Medikamente, medizinische Produkte oder Hautpflegeprodukte durch selbst hergestellte DIY-Lösungen zu ersetzen. Wer aus medizinischen Gründen auf die Einnahme von Tabletten oder die Gabe von Spritzen angewiesen ist, sollte nicht darauf verzichten, nur weil dabei Müll entsteht. Ebenso kann es problematisch sein, selbstgemachte Zahnpasta oder Hautpflege zu verwenden. DIY-Sonnencreme garantiert keinen ausreichenden UV-Schutz und ist somit als Sonnencreme untauglich. Es gibt Gründe, warum solche Produkte in Laboren gemischt und medizinisch getestet werden. Die Verpackung garantiert in diesem Fall Hygienestandards und Haltbarkeit.

Natürlich möchte ich niemandem irgendwelche Produkte vorschreiben oder verbieten. Jede:r Mensch ist für seine/ ihre eigene Gesundheit verantwortlich. Ich kritisiere hier nur die Verteufelung von industriellen und verpackten Produkten (s. dazu Zwischen Greenwashing und Chemophobie).

 

Trinkhalme und Ableismus

In der Debatte um das Verbot von Einwegplastik wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass manche Menschen mit Behinderungen auf Trinkhalme angewiesen sind und ein Verbot von Plastikstrohhalmen diese Menschen diskriminiert. Die einfachste Lösung wäre, wenn Gastronomiebetriebe wiederverwendbare Trinkhalme anbieten oder Menschen, die auf Trinkhalme angewiesen sind, selbst welche mitbringen. Dennoch zeigt diese Diskussion, dass in Umweltschutzdiskursen oft nicht für Menschen mit chronischen Krankheiten, kognitiven oder körperlichen Einschränkungen mitgedacht wird. Die Verbotsforderungen von Einwegplastik sind in den meisten Fällen sinnvoll und berechtigt aber Umweltschutz darf nicht auf Kosten der Lebensqualität von marginalisierten Bevölkerungsgruppen gehen. Die Zero-Waste-Bewegung muss deshalb aufpassen, dass sie nicht in die Ableismus-Falle tappt.

 

Infektionsschutz vs. Müllvermeidung

Viele Menschen tragen während der Corona-Pandemie lieber waschbare Stoffmasken als Einweg-OP-Masken oder FFP2-Masken, um Müll zu vermeiden. Das ist gut gemeint, ihr müsst jedoch bedenken, dass wir uns in einer globalen Pandemie befinden, die an vielen Orten zu einer Überlastung des Gesundheitssystems führt und massive Einschränkungen des öffentlichen Lebens zur Folge hat. Neben anderen Schutzmaßnahmen wie Kontaktreduktion, Abstandhalten, Lüften und Händewaschen ist auch ein adäquater Mund-Nasen-Schutz ein wichtiger Faktor, um Infektionen zu verhindern. Überlegt euch also gut, ob Umweltschutz auf Kosten eurer Gesundheit oder der Gesundheit eurer Mitmenschen gehen sollte (Anmerkung: Das Tragen von medizinischen oder FFP2-Masken ist in Geschäften und im ÖPNV inzwischen obligatorisch). Außerdem lassen sich auch medizinische Einwegmasken mehrmals verwenden, wenn sie mehrere Tage ausgelüftet werden. FFP2-Masken lassen sich in feuerfesten Gefäßen bei 80 °C Ober- und Unterhitze im Backofen sterilisieren. Dadurch kann die Müllmenge, die durch Einweg-Masken erzeugt wird, zumindest reduziert werden.

 

Die eigene Gesundheit hat höchste Priorität

Wenn ihr in eurem Alltag immer wieder auf Dilemmata stoßt, in denen ihr abwägt zwischen Umweltschutz und eurer eigenen Gesundheit, hilft euch vielleicht folgender Ansatz:

Evolutionsbiologisch haben wir Menschen das Recht, unser Überleben und unsere Gesundheit (physisch und psychisch!) sicherzustellen. Wir müssen die Bedürfnisse der Umwelt nicht über unsere eigenen stellen. Wenn ihr also abwägt, wählt die Option, die für eure persönliche Gesundheit besser ist. Das Nachhaltigste, was ihr tun könnt, ist eure eigene Gesundheit zu priorisieren. Wenn ihr eure eigene Gesundheit als endliche Ressource anseht, geht ihr respektvoller damit um. Nur wenn ihr langfristig auf eure physische und psychische Gesundheit achtet, habt ihr genügend Kapazitäten, um Umweltschutz zu betreiben (s. Self-care für Umweltaktivist:innen). Und vergesst nicht: Ihr müsst die Welt nicht alleine retten. Auch andere Menschen sind gefragt und neben den Verbraucher:innen natürlich auch Wirtschaft und Politik.

 

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Menstruationstassen und Toleranz