Möglichkeiten und Grenzen der individuellen Verantwortung

Von Simone Binder

Verbraucher:innen haben durch ihre Kaufkraft und ihre Konsumentscheidungen großen Einfluss auf Unternehmen. Sie bestimmen durch ihre Nachfrage das Angebot und je mehr Menschen sich für nachhaltige Produkte entscheiden, desto mehr wird davon angeboten. Dieses Prinzip nennt sich „vote with your dollar“, d. h. jeder Dollar bzw. Euro ist ein Stimmzettel für ein bestimmtes Produkt. Auch auf dieser Plattform geben wir Alltagstipps, die den Leser:innen helfen, nachhaltigere Konsumentscheidungen zu treffen.

Neben den alltäglichen Konsumentscheidungen spielt auch das politische Engagement der Bürger:innen eine große Rolle. Dies ist z. B. in Form von Wahlen, Petitionen oder Demonstrationen möglich. Auch der direkte Kontakt zu Abgeordneten oder Minister:innen sowie Unternehmen über Email oder Social-Media-Kanäle ist oft ein wirksames Mittel, um Druck auf Politik, Unternehmen oder Verbände auszuüben. Wir brauchen engagierte Bürger:innen, um Umweltschutz auf allen Ebenen und in allen wirtschaftlichen Branchen durchzusetzen.

Auch im privaten Umfeld können Bürger:innen großen Einfluss auf das Konsumverhalten ihrer Mitmenschen ausüben. Oftmals sind wir sogar mehr gewillt, etwas auszuprobieren, wenn jemand in unserem Freundeskreis schon gute Erfahrungen damit gemacht hat. So können sich z. B. Freund:innen oder Kolleg:innen gegenseitig motivieren, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren oder sich vegetarisch/ vegan zu ernähren.

Wir sehen also, es ist wichtig und notwendig, dass Verbraucher:innen bzw. Bürger:innen bewusste Konsumentscheidungen treffen und sich ihres Einflusses auf Wirtschaft und Politik bewusst sind. Allerdings ist dieser Einfluss begrenzter als uns Wirtschaft und Politik suggerieren. Als Individuen können wir mit unseren Konsumentscheidungen alleine nicht die Welt retten. Solange die Umweltverantwortung auf die Verbraucher:innen abgewälzt wird, werden Individuen unfair belastet. Verbraucher:innen haben nämlich nur im Kollektiv so viel Macht, dass sie Veränderungen in Wirtschaft oder Politik erzwingen können. Diese kollektive Macht erreichen Verbraucher:innen, wenn sie sich zu Gruppen, Verbänden, Initiativen oder Organisationen zusammenschließen und gemeinsam agieren. Auf diese Weise hat die  Umweltbewegung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vieles erreicht (s. Greenpeace, BUND, DUH, NABU, Foodwatch, etc.).

Anders als Industrie und Handel ist der Großteil der Verbraucher:innen jedoch nicht in Verbänden organisiert. Oft wird vergessen, dass Verbraucher:innen keine homogene Gruppe darstellen. Sie haben unterschiedliche Interessen, Bildungsgrade, Einkommen, Kulturen, Altersgruppen, Geschlechter, Gesundheitszustände, etc. Dementsprechend heterogen fällt ihre Nachfrage nach bestimmten Produkten aus. Fälschlicherweise wird diese Nachfrage oft für alle Verbraucher:innen generalisiert, obwohl sie nur von einem Teil kommt.

Natürlich müssen wir auch darüber diskutieren, welchen Einfluss die Werbung auf uns hat, denn wir sind nicht so frei in unseren Konsumentscheidungen, wie wir uns oft einbilden. Außerdem leben wir (in Deutschland) in einer sozialen Marktwirtschaft, d. h. unsere Wirtschaft richtet sich nicht ausschließlich nach Angebot und Nachfrage, sondern wird auch vom Staat durch Steuern, Gesetze und Verordnungen beeinflusst. Und genau dieser Einfluss der Politik auf die Wirtschaft ist notwendig, um Umweltschutz durchzusetzen. Dafür müssen Politik, Wirtschaft und Verbraucher:innen zusammenarbeiten. Alle Akteure müssen sich zu umweltfreundlicher, klimafreundlicher und nachhaltiger Produktion und Ressourcennutzung verpflichten. Analog zum Nachhaltigkeitsdreieck könnten wir ein „Verantwortungsdreieck“ für Verbraucher:innen, Politik und Wirtschaft etablieren. Im Fall von Verpackungsmüll könnte dieses Verantwortungsdreieck folgendermaßen aussehen:

Es ist Aufgabe der Politik auf allen Ebenen, strengere Richtlinien, Gesetze oder Verbote zu erlassen, um Druck auf Hersteller und Verpackungsindustrie auszuüben, sodass Verpackungsmaterial auf ein logistisch und ökologisch notwendiges Minimum reduziert wird.

Auf individueller Ebene sollte durch gezielte Informationskampagnen und Bildungsarbeit ein größeres Bewusstsein in der Bevölkerung geschaffen werden, um den kollektiven Einfluss der Verbraucher:innen auf die Produktion und damit auf den Verpackungsmüll zu verstärken.

Die Interessenkonflikte um die Problematik von Verpackungsabfall entstehen durch die unterschiedliche Gewichtung von Umweltschutz und Wirtschaftswachstum. Insgesamt teilen sich jedoch alle beteiligten Akteure – Verbraucher:innen, Hersteller, Händler, Umweltverbände, Wissenschaft, Gesetzgeber, öffentliche und private Entsorger – die Verantwortung für die Vermeidung und ordnungsgemäße Entsorgung von Verpackungsabfällen.

Für die Zukunft ist eine Reduktion von vermeidbarem Verpackungsmaterial anzustreben. Gleichzeitig müssen die Recyclingraten von Verpackungsmüll aus dem Gelben Sack erhöht werden. Dies gilt besonders für Kunststoffe. Dazu muss auch ein Markt für den Einsatz von Rezyklaten geschaffen werden. Sogenannte Unverpacktläden leisten bereits einen Beitrag zur Vermeidung von Verpackungsmüll, indem die Kund:innen die Ware in selbst mitgebrachte Behälter abfüllen. Auch biologisch abbaubare Verpackungsmaterialien sind eine Möglichkeit, um die negativen ökologischen Auswirkungen von Verpackungsmüll zu reduzieren.

  

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