Neokoloniale Umweltzerstörung

Von Simone Binder

Die Verursacher:innen und Opfer von Umweltzerstörung und Klimawandel sind selten identisch, im Gegenteil: Ein Großteil der negativen Auswirkungen wie Wasserverschmutzung, Luftverschmutzung und Extremwetterereignisse wie Dürren oder Überschwemmungen wurden von westlichen Ländern verursacht und treten in Südamerika, Afrika und Südostasien auf. Westliche Ökonomien zerstören weiterhin den Lebensraum nicht-westlicher Länder. Somit werden frühere Kolonialstrukturen nach dem Motto „injustice to injury“ weitergeführt. Die ehemaligen westlichen Kolonialmächte betreiben neokoloniale Umweltzerstörung. Diese Umweltzerstörung trifft die indigene Bevölkerung auf allen Kontinenten besonders hart. In Nord- und Südamerika verlieren viele indigene Völker ihre traditionellen Wasserquellen durch abschmelzende Gletscher oder durch die Verschmutzung ihrer Gewässer durch Bergbau oder Papierproduktion. Im Zuge der Regenwaldabholzung im Amazonas verlieren die dortigen indigenen Menschen durch das Artensterben wichtige Nahrungs- oder Medizinquellen.

Die westliche Welt betreibt eine Externalisierung von Umweltkosten, d. h. die ökologischen Probleme, die aus der westlichen Wirtschaft folgen, werden geographisch verschoben. Sehr deutlich wird dies im Fall von Müllexporten aus westlichen Ländern nach Westafrika (Elektroschrott) und Südostasien (Verpackungsmüll). Mangels adäquater Infrastruktur werden die Abfälle oft verbrannt und Wertstoffe manuell aussortiert. Dabei werden nicht nur Gewässer mit Schadstoffen belastet, sondern auch die Arbeiter:innen einer großen gesundheitlichen Gefahr ausgesetzt. Soziale Ausbeutung und Kinderarbeit sind hier oft an der Tagesordnung.

Fallbeispiel Meeresspiegelanstieg

Ein globales Umweltproblem kann von Land zu Land sehr unterschiedliche Auswirkungen haben. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der Meeresspiegelanstieg. Der Meeresspiegelanstieg ist eine Folge des Klimawandels, der zu einem Abschmelzen der globalen Gletscher und zu einer Wärmeausdehnung der Ozeane führt. Zwei Länder, die aufgrund ihrer niedrigen Höhenlage besonders gefährdet sind für Überflutungen infolge des Meeresspiegelanstiegs, sind die Niederlande und Bangladesch. Obwohl beide Länder vom Meeresspiegelanstieg bedroht sind, sind sie aufgrund ihrer wirtschaftlichen, demographischen und klimatischen Rahmenbedingungen unterschiedlich vulnerabel. Die Niederlande verfügen über viel größere finanzielle und technische Ressourcen als Bangladesch. Dadurch kann in den Niederlanden vorausschauend geplant werden, welche Küstenschutzmaßnahmen notwendig sind und wo ggf. Menschen umgesiedelt werden müssen. Daraus ergibt sich eine höhere Resilienz der Niederlande gegenüber dem Meeresspiegelanstieg.

Bangladeschs höhere Vulnerabilität ergibt sich aus mehreren Risikofaktoren. Bangladesch verfügt über eine große Bevölkerung mit niedrigem durchschnittlichen Bildungsstand und hoher Armutsrate. Viele Einwohner:innen sind in der Landwirtschaft tätig und ihre Anbauflächen sind durch den Meeresspiegelanstieg und die damit verbundene Versalzung bedroht. Demnach bedeutet der Meeresspiegelanstieg auch ein Risiko für die Wirtschaft. Darüber hinaus gibt es in Bangladesch noch weitere Umweltgefahren wie Wirbelstürme oder Sturmfluten, die zusätzlich die Küste erodieren. Der Vergleich von Bangladesch und den Niederlanden zeigt sehr deutlich, dass Länder mit höherer Vulnerabilität oft härter von den Folgen des Klimawandels und der Umweltzerstörung getroffen werden. Wenn man bedenkt, dass die Niederlande eine ehemalige Kolonialmacht sind und Bangladesch eine ehemalige portugiesische und britische Kolonie, wirken diese Disparitäten besonders zynisch.

White Saviorism im Umweltschutz

Obwohl ein Großteil des Klimawandels und der Umweltzerstörung auf die wirtschaftlichen Aktivitäten des Westens zurückzuführen ist, werden Klima- und Umweltschutz im Westen oft von privilegierten, weißen Menschen vereinnahmt (ein Kritikpunkt, der schon öfter u. a. gegenüber Fridays for Future geäußert wurde). Nicht-weiße und indigene Menschen kämpfen schon viel länger gegen den Klimawandel und die Umweltzerstörung, da ihr Lebensraum oft akut bedroht ist. Doch wer bekommt Anerkennung und Gehör für Umwelt- und Klimaschutz? Aufgrund der westlichen Privilegien und der historischen Ausbeutung nicht-weißer Menschen ist es notwendig, dass privilegierte, westliche, weiße Menschen die Hauptverantwortung für ihre Umweltbelastungen übernehmen. Allerdings sollten sie sich dabei nicht als Retter:innen darstellen, denn damit betreiben sie White Saviorism und bevormunden nicht-weiße Menschen. Weiße Menschen verdienen nicht mehr Anerkennung und Ansehen für ihr Engagement. Klima- und Umweltschutz sollten selbstverständlich sein und niemand sollte Lorbeeren dafür erwarten.

Zum Begriff “Postkolonialismus” s. Spektrum: Lexikon der Geographie.

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